Sibylla van Niephusen / um 1432

Der Beginenkonvent von Kamp

Majestätisch erhebt sich, umgeben von barocker Gartenpracht, das 1123 gegründete Kloster Kamp auf dem Kamper Berg. Im Spätmittelalter galt es als das bedeutendste Zisterzienserkloster im gesamten Ordensverband.

In direkter Beziehung zum Kloster Kamp bestand seit dem ersten Drittel des 14. Jahrhunderts ein Beginenkonvent. Wo genau dieser Konvent in Altfeld lag, kann nicht mehr sicher beschrieben werden. Eine Urkunde gibt jedoch Einblick in die Verfassung und Arbeitsbeziehungen der Beginengemeinschaft: So erhielt 1432 der Beginenkonvent vom Kamper Abt gegen eine jährliche Zahlung von 14 Schillingen Rheinberger Währung die Besitzung als Pachtgut. Drei Pächterinnen sollten gegenzeichnen, eine davon war Sybilla von Niephausen, eine Verwandte des Abtes Heinrich von Niephausen, die auch das Vorschlagsrecht für die anderen beiden besaß. Die Beginen standen unter der Leitung des Kamper Abtes oder seines Stellvertreters, der auch über Neuaufnahmen entschied. Erst nach Ablauf eines Probejahres konnte eine Novizin ihr Gelöbnis ablegen. Ihr Vermögen ging dabei in das Eigentum des Beginenkonventes über. Bei Verstößen gegen die Konventsordnung konnten Schwestern binnen sechs Wochen ohne weitere Ansprüche des Konventes verwiesen werden. Die Leitung des Konvents – moeder off regiester des susterhuysse – wurde unter Mitwirkung des Kamper Abtes bestimmt. Die Schwestern hatten „den vernünftigen Anordnungen“ ihrer „Mutter“ zu folgen, wie es auch in anderen Schwesternhäusern üblich war. Die Beginen verpflichteten sich, dem Kloster Dienste zu leisten. Dafür erhielten sie vom Kämmerer einen Lohn, wie er in der Gegend üblich war. Sollte der Konvent seinem Arbeitsauftrag nicht weiter nachkommen, so wurde er aufgelöst und die Abtei konnte wieder frei über das Haus verfügen.

Im Jahre 1440 verlegten die Beginen mit Zustimmung des Abtes ihren Konvent zu den gleichen Bedingungen auf den Hof Lomoelen, zwischen der Abtei und dem Dachsberg gelegen. Das Haus wurde zu einem Konventsgebäude ausgebaut und erhielt eine Kapelle. Am 25. August 1451 fand die Einweihung eines Altares statt, wie in Beginenhäusern üblich zu Ehren der Gottesmutter Maria, denn der Kamper Beginenhof wurde später auch „Marienhöfken“ genannt. Den Gebäudekomplex sicherten Mauer, Gräben, Zugbrücke. Ein breiter Weg verband den Konvent mit dem Kamper Berg. Er fiel der Fossa Eugeniania zum Opfer, jenem Kanal zwischen Rhein und Maas, der ab 1626 von den spanischen Habsburgern angelegt wurde, um die um Autonomie kämpfenden niederländischen Provinzen vom Rheinhandel abzuschneiden und der nach der spanischen Regentin in Brüssel, Isabella Clara Eugenia, benannt wurde.

Im 15. Jahrhundert sollen 40 Schwestern im Beginenkonvent gelebt und für das Kloster gearbeitet haben. Im truchsessischen Krieg zwischen 1583 bis 1588 verließen die Beginen – wie die Mönche – aus Angst um Leib und Leben den Kamper Berg. 1667 verpachtete die Abtei eine Mühle zusammen mit dem sogenannten „Beginenhaus“, ein Beleg, dass das Gebäude nicht wieder von Beginen bezogen wurde.

Seit Beginn des 13. Jahrhunderts verließen überall Frauen ihre Lebenszusammenhänge, um einzeln oder gemeinsam ein keusches, gottesfürchtiges Leben in der Nachfolge Mariens zu führen. Kirchenrechtlich bewegten sich diese „Beginen“ genannten Frauen zwischen dem weltlichen und geistlichen Stand. Sie durchbrachen mit dieser vita mixta das Ordnungsgefüge einer Gesellschaft, die bis dahin auf einer strikten Trennung von Religiosen und Laien beruhte. Sie nahmen die Armut Christi und der Apostel als Vorbild und führten ein bescheidenes Leben durch ihrer Hände Arbeit: “ … lieben ohne Haß, Geduld üben im Ertragen von Widerwärtigkeiten, Gott und die Heilige Kirche achten, bereit sein zu leiden um Gottes Willen: all dies ist Béguinage.“

Die im Beginentum gelebte Religiosität entwickelte sich seit dem 12. Jahrhundert im Kontext geänderter Frömmigkeitsvorstellungen, die als vita apostolica auch Laien und vor allem ungewöhnlich viele Frauen anzog. Wege zu Gott konnten nun ohne professionelle Mittler, als eine Sache der eigenen Verantwortung gefunden werden. Damit löste sich die tradierte gesellschaftliche Arbeitsteilung zwischen Betenden und Arbeiten auf, aber auch die Grenze zwischen männlicher Lehr- und Verkündigungsautorität und den „unwissenden“ Frauen: „Ihr haltet Lesungen, wir lesen aus. Ihr sprecht, wir handeln […]. Ihr erleuchtet, wir brennen. Ihr führet, wir haben Gewissheit. Ihr verlangt, wir empfangen. Ihr sucht, wir finden …“, setzte eine Begine selbstbewusst ihr religiöses Begehren gegen die herrschende Theologie.

Das Kamper Beginenhaus besaß alle Immunitäten des Klosters. Seine Verfassung orientierte sich mit Probezeit, Gelübte und mit dem Verzicht auf personelles Vermögen an Ordensregeln und gab dem Zusammenleben eine feste Organisationsstruktur. Die familiären Verflechtungen zwischen Kloster und Beginenkonvent verweisen auf die gesellschaftliche Anerkennung der Kamper Beginen. Kloster und Beginengemeinschaft hatten sich hier in einer geschlechtlichen Arbeitsteilung eingerichtet: Während die Beginen dem Kloster zu Diensten standen – Beginen arbeiteten allerorten in der Textilherstellung und –pflege, brauten Bier, zogen Kerzen und kümmerten sich um die kultischen Gegenstände für den Gottesdienst – sicherte das Kloster durch einen angemessenen Lohn das Fortbestehen der beginischen Lebensweise und die religiösen Entfaltungsmöglichkeiten der dort lebenden Frauen. Der Dienst am Nächsten im Antlitz des Todes wurde ein bevorzugtes Arbeitsfeld der Beginen, die sich als ancillae die, als „Mädge Gottes“ verstanden. So könnten sie auch die Insassen des Kamper Krankenhauses versorgt haben.

Beginengemeinschaften existierten auch an anderen Orten des Ruhrgebiets: in Sonsbeck und Dinslaken, Wesel und Essen. Auch für Bochum, Dorsten, Dortmund, Duisburg, Gelsenkirchen, Hamm, Recklinghausen und Wattenscheid sind bis heute Beginenkonvente belegt. In Lütgendortmund, Rhynern, Kamen und Unna existierten Häuser, die ihre Gemeinschaft nach den Statuten der Tertiarinnen verfassten. Die Frauenbewegung ab den 1970er Jahren knüpfte mit der Gründung von alternativen, gemeinschaftlichen Wohnprojekten an das mittelalterliche Beginentum an und initiierte zur Stärkung der historischen Identität auch weitere Forschungen.

Dr. Uta C. Schmidt / frauen/ruhr/geschichte

Orte:

Kloster Kamp, Abteiplatz 13, 47475 Kamp-Lintfort

Literatur:

Hoßbach, Heike, Die Kamper Beginen, in: Stadt Kamp-Lintfort/ Gleichstellungsstelle im Auftrag des Frauengeschichtskreis Kamp-Lintfort, Frauen bewegen etwas - in Kamp-Lintfort, 3. Aufl., Kamp-Lintfort 2003, S. 8-11.
Schultheis, Norbert, Fromme Frauen, die Beginen genannt werden, in: Seibt, Ferninand et. al. (Hg.), Vergessene Zeiten. Mittelalter im Ruhrgebiet. Katalog zur Ausstellung im Ruhrlandmuseum Essen 26. September 1990 bis 6. Januar 1991, Bd. 2, Essen 1990, S. 157-162.
Dicks, Mathias, Die Abtei Camp am Niederrhein. Geschichte des ersten Cisterzienserklosters in Deutschland (1123-1802), Moers 1913.
Ruhr, Kurt, Geschichte der abendländischen Mystik, Bd. 2,: Frauenmystik und Franziskanische Mystik der Frühzeit, München 1993.
 "… que Begine appellantur", oder: die Beginen als Frauenfrage in der Geschichtsschreibung, in: Kuhn, Annette/ Lundts, Bea (Hg.), Lustgarten und Dämonenpein. Konzepte von Weiblichkeit in Mittelalter und Früher Neuzeit, Dortmund 1997, S. 54-77.

Zitation: Schmidt, Uta C., Sibylla van Niephusen, Version 1.0, in: frauen/ruhr/geschichte, https://www.frauenruhrgeschichte.de/biografien/sibylla-van-niephusen/

Beitrag (ohne Bilder und Quellen) lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0, International Lizenz Creative Commons Lizenzvertrag
Creative Commons Namensnennung

Copyright © 2022 frauen/ruhr/geschichte und Autor:innen.