Christa Kleinhans gehört zu den Pionierinnen des Frauenfußballs in Deutschland. Etwa 150 Länderspiele hat sie in der Nationalelf in den 50er und 60er Jahren bestritten. Zu einer Zeit, als den Frauen das Fußballspielen in Deutschland offiziell verboten war.
Ihr erstes Fußballtrikot hat Christa Kleinhans noch abgestottert. Das war Mitte der 50er Jahre, als sie bei der Post in die Lehre ging. Doch durch nichts hätte sich die sportliche junge Frau davon abhalten lassen, Fußball zu spielen. Denn Mitte der 50er Jahre wird endlich wahr, wovon sie schon von klein auf träumte.
Aufgewachsen ist Christa Kleinhans im Dortmunder Stadtteil Hörde im Schatten des Stahlwerks Hermannshütte. Schon als Kind mischte sie bei den Jungs fußballerisch kräftig mit: „Und wie das damals so war spielte eine Straßenecke gegen die andere Straßenecke. Und da war ich als einziges Mädchen zwischen den Jungs. Und war eigentlich ganz gut.“ Ungewöhnlich für die damalige Zeit: Auch die Eltern lassen die kleine Christa gewähren.
Doch an eine Karriere als Fußballerin ist erst einmal nicht zu denken. Das Deutschland der Nachkriegsjahre ist aus weiblicher Sicht fußballerisches Niemandsland. Christa Kleinhans wird Leichtathletin. Anfang der 50er Jahre einmal sogar westdeutsche Meisterin in der 4×100 Meter-Staffel ihres damaligen Vereins OSV Hörde.
Nach dem „Wunder von Bern“ 1954 ist ganz Deutschland im Fußballfieber. Auch die Frauen wollen endlich Fußball spielen. Vor allem im Ruhrgebiet gründen sich Damenfußballvereine. Das ruft den Deutschen Fußball-Bund auf den Plan. Im Sommer 1955 verbietet er den Damen das Kicken. Angeblich sei der harte Männersport nichts für das vermeintlich schwache Geschlecht. Den Fußball begeisterten Frauen ist das herzlich egal. Schon 1956 gibt es zwei Damenfußballvereine in Dortmund: Grün-Weiß und Fortuna. Als Christa Kleinhans dies erfährt, hängt sie sofort ihre Laufschuhe an den Nagel: „Man war ja wirklich manchmal wie von Sinnen, mein Gott noch Mal, ein Kindheitstraum wird wahr.“ Damals habe sie ein unbeschreibliches Glücksgefühl empfunden. Endlich Fußballspielen – trotz Verbots. „Wir spielten Fußball und damit war für uns die Sache erledigt. Wir haben uns durch nichts aufhalten lassen.“
Christa Kleinhans wird Mitglied bei Grün-Weiß Dortmund und dann schnell vom Konkurrenten Fortuna abgeworben. Sie wird die Nummer 7 im Team, Rechtsaußen mit „einem Drang zum Tor“, wie sich ihre damalige Mannschaftskameradin Anne Droste erinnert. 1957 dann ihr erstes Fußballländerspiel gegen Westholland im Münchener Dantestadion. Die deutsche Frauen-Nationalelf gewinnt vor 18.000 Zuschauern das Spiel mit 4:2. Für Christa Kleinhans bis heute ein unvergessliches Erlebnis.
Von 1958 an wird der Frauenfußball professioneller organisiert. Josef Floritz, Ex-Trainer von Borussia Neunkirchen gründet mit anderen die Deutsche-Damen-Fußballvereinigung und kümmert sich von nun an um die Fußballländerspiele. Doch nicht immer kriegen die berufstätigen Frauen dafür auch frei. Die meisten Arbeitgeber ahnen nichts von der Fußballbegeisterung ihrer Mitarbeiterinnen. „Und dann wurde natürlich gelogen, was das Zeug hielt“, erinnert sich Christa Kleinhans. Man habe die Omas wieder und wieder sterben lassen. Oder man war regelmäßig am Wochenende krank.
Trikots und Schuhe muss Christa Kleinhans selber bezahlen. Und das bei einem mageren Lehrlingsgehalt von anfangs rund 45 Mark. Auch die Trainingsbedingungen sind alles andere als ideal. Sportvereine dürfen den Frauen ihre Plätze wegen des DFB – Verbots nicht zur Verfügung stellen. Man droht ihnen ansonsten den so genannten Sportgroschen zu entziehen. Und so heißt es improvisieren. Christa Kleinhans und ihre Mannschaft spielen, wo immer es möglich ist. Mal stellt der Vater einer Spielerin seinen Garten zur Verfügung. Mal wird in einem öffentlichen Park gekickt. Einen festen Trainingsplatz gibt es nicht. „Und dann ist man halt mit seiner Tasche mit der Straßenbahn gefahren und hat geguckt, wo können wir dieses Mal trainieren.“
An schwere Verletzungen kann Christa Kleinhans sich nicht erinnern. Aber daran, dass sie ein paar Mal vom Platz gestellt wurde. „Irgendwie sind mir die Nerven durchgegangen, weil ich viel auf die Socken kriegte.“ Und sie erinnert sich noch gut an ein Spiel in Hörde Anfang der 60er Jahre, als sie vom Platz geflogen ist. „Das war das schlechteste Spiel überhaupt, was ich je abgegeben habe.“ Ihr Vater, erzählt sie, habe überall voller Stolz mit seiner Fußball spielenden Tochter geprahlt. Doch die dreht sich nach einem Foul einfach um und scheuert ihrer Gegenspielerin eine. „Ja, dann durfte ich duschen gehen.“
Fast zehn Jahre lang dreht sich im Leben von Christa Kleinhans alles um Fußball. 1965 dann das letzte Freundschaftsspiel gegen eine holländische Auswahl in Schwerte. Josef Floritz, der bis dahin die Spiele organisierte, war gestorben. Zudem fehlt den Fußballerinnen der Nachwuchs. „Die mit uns fast zehn Jahre in der Mannschaft spielten, lernten dann auch einen Mann kennen, wollten Kinder kriegen und dann war niemand mehr da.“ Nach dem Abschiedsspiel in Schwerte löst sich ihr Verein Fortuna Dortmund auf.
Christa Kleinhans wechselt zum Handball und wird auch darin sehr erfolgreich. Zuletzt spielt sie sogar Bundesliga. Als 1970 der DFB dann das Fußballverbot für die Frauen aufhebt, wird auch sie gefragt, ob sie nicht wieder Fußball spielen will. „Und ich habe gedacht, ne, Schluss, aus. Jetzt nicht mehr. Jetzt spielst du Handball, du spielst auch gerne Handball und jetzt bleibst du dabei. Dadurch war das Thema vom Tisch.“
Die Liebe zum Fußball ist geblieben. Nach wie vor sieht die Fußballpionierin am liebsten Spiele der Frauen. Nur für ihren Lieblingsverein Borussia Dortmund macht sie regelmäßig eine Ausnahme. Schon seit Jahren hat sie eine Dauerkarte. Und wenn sie mit ihrer ehemaligen Fußballmitspielerin Anne Droste bei Wind und Wetter auf der Tribüne sitzt, wird öfters auch mal ausgiebig gemeckert. „Wenn die eben schlecht spielen, gehen wir auch schon mal 10 oder 15 Minuten vor Spielende nach Hause, weil wir denken, ne, ne, ne, ne, das tun wir uns nicht mehr rein.“
Sie seien damals richtige Powerweiber gewesen, sagt Christa Kleinhans heute rückblickend auf die Anfänge des Frauenfußballs in Deutschland. Nichts und niemand hätte sie davon abhalten können. Und sie ist – wie FIFA-Präsident Josef Blatter – ziemlich sicher: „Die Zukunft des Fußballs ist weiblich.“
Andrea Kath
Orte:Infopoint Phoenix-See, Aussichtsplattform mit Blick auf Dortmund-Hörde ohne Hüttenwerk; Kohlensiepenstraße, 44269 Dortmund
Das Spiel der Frauennationalmannschaft fand statt im Mathis-Stinnes-Stadion, Beisekampsfurth, 45329 Essen
Hoffmann, Eduard/ Nendza, Jürgen, Verlacht, verboten und gefeiert. Zur Geschichte des Frauenfußballs in Deutschland, Weilerswist 2005.
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