Agnes von der Vierbecke / 1341-1378

Das goldene Spinnrad der Agnes von Vierbecke

Agnes von der Vierbecke entstammt einem alten märkischen Adelsgeschlecht auf Haus Vierbecke in Hengsen, heute Holzwickede. Von dem 1600 abgebrannten Anwesen sind bis auf Reste der Gräften keine Spuren mehr im Gelände sichtbar. In den politischen Mythos der stolzen Reichsstadt Dortmund hat sich Agnes von der Vierbecke unauslöschbar eingeschrieben. Das kleine Holzwickede wiederum benutzt die historische Gestalt, um sich märkisch gegen das städtische Oberzentrum Dortmund zu positionieren, obwohl das tragische Ende der Vierbecke nur bedingt für eine positive Identitätsbildung taugt. In der Gegend um Holzwickede erzählt man sich noch heute die Sage von ihrem goldenen Spinnrad.

Die historische Agens von der Vierbecke heiratete den reichen Dortmunder Hansekaufmann Hildebrandt Sundermann, der einer angesehen Patrizierfamilie entstammte. Damit wurde sie Teil der führenden Gesellschaftsschicht, die den Rat wählte und aus ihren Reihen den Bürgermeister ernannte. Nach dem Tode Hildebrandts lebte sie weiter mit ihrem Sohn Arnt in Dortmund. Wie eine Insel lag im 14. Jahrhundert die wohlhabende Reichsstadt Dortmund inmitten der Herrschaftsgebiete der Grafen von der Mark und der Erzbischöfe von Köln.

1378 hatten sich unter der Führung des Dietrich von Dinslaken, dem Bruder des Grafen Engelbert von der Mark, sechzehn Edelmänner zusammengeschlossen, um die Reichsstadt Dortmund am 4. Oktober einzunehmen. Ein Fehdebrief war bereits überreicht. Es heißt, Agnes von der Vierbecke habe die Koalitionäre unterstützt, indem sie zusammen mit ihrem Sohn und dem Junggrafen Konrad von Dortmund das Wißstraßentor durch eine List für zwei Wagen öffnen ließ. Sie hatte zuvor mit den Märkern vereinbart, dass der erste mit Holz beladene Wagen unter das äußere Fallgitter fahren und dort stehen bleiben sollte, damit das Gitter nicht wieder heruntergelassen werden konnte, während das Innengitter geöffnet wurde. Im zweiten Wagen waren unter dem Heu Bewaffnete versteckt. Sobald dieser Wagen durch das Tor gefahren war, sollten sie die Torwächter überwältigen. Die außerhalb des Walles versteckten Märker konnten dann auf ein Zeichen durchs Stadttor eindringen und die Stadt einnehmen. Agnes schickte den Pförtner zu den Fleischbänken, um ihr Pfefferpotthast zu kaufen. Dann stieg sie auf den Torturm und gab den im Hinterhalt wartenden Märkern mit einem weißen Tuch das verabredete Zeichen für den Angriff. Doch der Plan misslang, da das Innengitter nicht geöffnet wurde.

Agnes von der Vierbecke wurde mit ihrem Sohn und dem Junggrafen von Dortmund auf dem Torturm gefangen genommen und sofort zum Tode verurteilt. Die beiden Männer wurden auf dem Alten Markt hingerichtet. Sie jedoch wurde auf den Tat-Wagen gebunden und verbrannt. Agnes war 37 Jahre, die beiden Männer Arnt und Konrad 17 Jahre alt.

Der märkische Adel war über die schnelle Hinrichtung empört und erhob Klage gegen die Stadt. 1378 beeidete Dietrich von der Mark die Unschuld der drei Angeklagten. Zehn Jahre später eröffnete Graf Engelbert von der Mark eine große Fehde. Als erster der 17 Gründe für die Auseinandersetzung gab er die  Hinrichtung der unschuldigen Agnes von der Vierbecke, ihres Sohnes Arnt und des Grafen von Dortmund an. Zwar konnte sich Dortmund in dieser letzten großen mittelalterlichen Fehde noch einmal seiner Unabhängigkeit versichern, die Kriegsfolgen brachten die Stadt jedoch an den Rand des wirtschaftlichen Ruins. Jahrhunderte lang gedachte Dortmund mit einer Prozession an Michaelis, dem 29. September, dieser Auseinandersetzung, feierte sich als wehrhafte Gemeinschaft und beschwor seine städtische Identität.

Im Volksglauben waren Frauen, die wie Agnes verbrannt wurde, stets Hexen.  In Holzwickede arbeitete man die historische Begebenheit zu einer Sage um: Darin heißt es: Der Teufel in Gestalt eines galanten Mannes mit dunklem Gesicht, grünem Mantel, rotem Hut und unterschiedlich großen Schuhen buhlte um Agnes von der Vierbecke, er versprach ihr ein goldenes Spinnrad, das von selber spinnen konnte – was für ein Geschenk angesichts der nie enden wollenden, mühseligen Spinnarbeit. Als die Dortmunder die Hexen ausrotten wollten, erfuhren sie auch von Agnes und ihrem Spinnrad. Sie versuchten, Agnes nach Dortmund zu locken, was ihnen jedoch misslang. Daraufhin holten sie sie heimlich mit einem Wagen, banden sie darauf fest und verschleppten sie in ihre Stadt.In Dortmund wurde sie als Hexe verbrannt. Und während sie in den Flammen starb, versank das goldene Spinnrad im Brunnen des Hauses Vierbecke.

Uta C. Schmidt/ FRAUEN.ruhr.GESCHICHTE.

Orte:

Holzwickede, Unnaer Straße, 59439 Holzwicke (ehemaliger Truppenübungsplatz)
Wißstraßentor, 44137 Dortmund
Alter Markt, 44137 Dortmund

Literatur:

Hieber, Hanne: Die "Verräterin" von Dortmund, in: dies.: Drutmunde – Tremonia – Dortmund, Dortmund 1999, S. 40-41.
Hieber, Hanne: Agnes von der Vierbecke. Verräterin von Dortmund oder unschuldig verbrannt auf dem Markt der Stadt?, in: Heimat Dortmund 2/2003, S. 12-14.
Von goldenen Spinnrädern und gräulichem Unfug der Flachszieherinnen. Bele von Benninghofen, 1343, in: Hieber, Hanne, Drutmunde - Tremonia - Dortmund, Dortmund 1999, S. 34-36.
August Meininghaus: Der Verrat Agnetens von der Vierbecke in Chronik und Geschichte, in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 22, 1913, S. 311-331.
Sondermann, Dirk, Ruhrsagen, Bottrop 2005.

Zitation: Schmidt, Uta C., Agnes von der Vierbecke, Version 1.0, in: frauen/ruhr/geschichte, https://www.frauenruhrgeschichte.de/biografien/agnes-von-der-vierbecke/

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