Inka Grings / 1978

Die erfolgreichste Torjägerin Deutschlands

In Sachen „Damenfußball“, wie es lange Jahre etwas distinguiert hieß, war Deutschland hinten an. Während sich in Großbritannien und Frankreich bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts zahlreiche Teams bildeten, die die Massen ins Stadion lockten, kickten sich hier die Frauen auf Vereinsebene noch lange nicht die Bälle zu. Zwar wurde 1930 in Frankfurt ein erster Frauen-Fußballclub gegründet, doch wurde dieser nach einem Jahr bereits wieder aufgelöst und fand in den Folgejahren und im Nationalsozilsimus natürlich nirgends Nachfolger.

Das in vielen Köpfen fest zementierte Rollenverständnis und die enggeführte Vorstellung über das öffentliche Erscheinungsbild von Mann und Frau verhinderten selbst nach 1949 einen Durchbruch des Frauenfussballs, obwohl Artikel 3, Absatz 2 des Grundgesetzes doch die Gleichberechtigung von Männern und Frauen festschrieb.

Der Deutsche Fußballbund (DFB) stellte am 30. Juli 1955 in Berlin vermeintlich fürsorglich fest: „Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand.“ Damit war Frauenfußball in allen DFB-Mannschaften verboten, was pseudo-wissenschaftlich mit Aussagen wie denen des holländischen Psychologen und Anthropologen Fred J. J. Buytendijk gestützt wurde: „Das Treten ist wohl spezifisch männlich, ob darum Getretenwerden weiblich ist, lasse ich dahingestellt. Jedenfalls ist das Nicht-Treten weiblich!“ Wettkampf, Konkurrenz, womöglich Schweiß und körperliche Anstrengung schienen nicht zu den geschlechtsspezifischen Rollenerwartungen der damaligen Zeit zu passen. Das hinderte jedoch fußballbegeisterte Frauen nicht daran, am Ball und auf dem Platz zu bleiben, wie zum Beispiel in Dortmund, wo sich der Verein „Fortuna Dortmund“ regelmäßig zum Training traf (siehe hier die Biografie zu Christa Kleinhans). Frauen spielten in eigenen Vereinen oder in Abteilungen von Vereinen, die nicht dem DFB unterstanden. Im Ruhrgebiet traten die Dortmunderinnen gegen die Konkurrentinnen von „Grün-Weiß Dortmund“ und gegen Frauenteams aus Essen oder Oberhausen an, wobei die Spielzeit jeweils zwei mal dreißig Minuten betrug. In Essen kam es 1956 mit etwa 18.000 ZuschauerInnen zu einem ersten inoffiziellen Länderspiel zwischen einer deutschen und einer niederländischen Auswahl, dem bis 1965 etwa 150 weitere Länderspiele folgten.

Am 31. Oktober 1970 hob der DFB das Frauenfußballverbot zwar auf, behandelte die Frauen jedoch wegen ihrer „schwächeren Natur“ immer noch gesondert: So mussten die Frauenteams eine halbjährige Winterpause einlegen, durften keine Stollenschuhe tragen, hatten mit kleineren Bällen für nur siebzig Minuten das Spiel zu gestalten.

Das alles ist inzwischen Geschichte, auch wenn es nach wie vor zahlreiche Vorbehalte gegenüber dem Frauenfußball gibt und das Thema in den Medien eher ein Schattendasein führt. Es sei denn, es geht um die sexuelle Ausrichtung der Spielerinnen, über die im Boulevard, anders als bei den männlichen Kollegen, gerne ausführlich berichtet wird. Selbst im Ruhrgebiet, nach wie vor eine Hochburg weiblicher Ballspielfreude, aus dessen Mitte die Frauenmannschaft von DJK Eintracht Erle aus Gelsenkirchen immerhin am Finale der ersten deutschen Frauenfußball-Meisterschaft am 8. September 1974 teilnahm, wird das Thema „Frauenfußball“ stiefmütterlich behandelt. Beispiel dafür ist das Areal des in Dortmund entstehenden Fußballmuseums, dessen Bildplakate ausschließlich Fußballer zieren. Dabei stellt allein der Fußballclub Rumeln 2001 Duisburg e. V. derzeit vier Spielerinnen der erst 1982 aufgebauten Nationalmannschaft, die inzwischen (2010) siebenfacher Europameister, zweifacher Weltmeister und dreifacher Bronzeträger bei den Olympischen Spielen und damit ein Aushängeschild des DFB ist.

Eine der herausragenden Spielerinnen der Duisburger „Löwinnen“ ist deren Kapitän Inka Grings, mit 32 Jahren die älteste Fußballerin des seit 2001 bestehenden Vereins. Sie ist überaus erfolgreich und war bereits drei Mal Fußballerin des Jahres (1999, 2009, 2010) und sechs Mal Torschützenkönigin (1999, 2000, 2003, 2008, 2009, 2010). Sie war dabei, als das deutsche Team Europameisterin (1997, 2005, 2009) und UEFA-Pokalsiegerin (1998, 2009, 2010, 2009) wurde. Zuletzt erhielt die mit 330 erzielten Bundesligatoren (Stand: 28.10.2010) erfolgreichste Torjägerin Deutschlands, beim Felix Award, dem „Sport-Oscar“ für Nordrhein-Westfalen, den 2. Platz, „Sportlerin des Jahres 2010.

Grings wurde 1984 als Sechsjährige als erstes und einziges Mädchen in den Düsseldorfer Klub TSV Eller 04 aufgenommen, musste mit zwölf zu der Mädchenmannschaft des Garather Sportverein 1966 e.V. wechseln und landete mit sechzehn beim FCR 2001 Duisburg. Vorbilder, gleich ob männlich oder weiblich, hat sie keine, sondern bewundert jede Person, „die auf dem Platz immer einhundert Prozent gibt und mannschaftsdienlich ist“. Diskriminierende Erlebnisse auf oder am Fußballplatz hat es nach eigener Aussage nie gegeben. Ihr Vertrag läuft noch bis 2012. In ihren früheren Berufe als Versicherungsvermittlerin und Zeitsoldatin möchte sie nicht wieder einsteigen, sondern bereitet sich mit dem Studium „Sport- und Fitnesstrainer“ auf eine spätere Tätigkeit im Sportbereich vor.

Susanne Abeck / frauen/ruhr/geschichte

Orte:

Die Heimspiele des FCR 2001 Duisburg werden seit 2003 im 3.000 Zuschauer fassenden PCC-Stadion im Duisburger Stadtteil Homberg ausgetragen.

Literatur:

http://www.frauennrw.de/gesellschaft_und_politik/frauen_gestern_und_heute/portraets/inka_grings/index.php
http://www.bpb.de/themen/5SR0BV,0,Der_Deutsche_Fu%DFballBund_hebt_das_Frauenfu%DFballverbot_auf.html
Hennies, Rainer; Mauren, Daniel (Hg.): Frauenfussball. Der lange Weg zur Anerkennung, Göttingen 2009.

Zitation: Abeck, Susanne, Inka Grings, Version 1.0, in: frauen/ruhr/geschichte, https://www.frauenruhrgeschichte.de/biografien/inka-grings/

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