Elisabeth Wilms / 1905-1981

Die „Filmende Bäckersfrau“ von Dortmund

Es begann mit (verbotenen) Filmaufnahmen der Bombardierung von Münster. Es ging weiter mit den Kurzfilmen Der Weihnachtsbäcker und Pumpernickel. Dann ihre eindrucksvollen Nachkriegsfilme Dortmund 1947 und Schaffende in Not, für die sie den Bundesfilmpreis und das Bundesverdienstkreuz erhielt. Es folgte der Wiederaufbau mit dem Film Dortmunds neue Westfalenhalle – Der Gigant unter den Sportpalästen.

Und es kam das Wirtschaftswunder in Gestalt des Werbefilms Flirt mit einer Maschine:
„Hier kommt die schmutz\ge Wäsche rein,
dann schalt ich die CONSTRUCTA ein …
CONSTRUCTA weicht die Wäsche ein,
CONSTRUCTA heizt und wäscht allein,
spült heiß, spült warm, spült zweimal kalt,
dann schleudert sie – dann macht sie Halt…
Sie können ruhig aus dem Haus,
CONSTRUCTA schaltet selbst sich aus!“

Zum Film kam Elisabeth Wilms durch Zufall: Sie sah 1941 – mitten im Krieg – bei einer Nachbarin einen 8mm-Film und war von Stund an begeistert. Filmmaterial und Kamera beschaffte sie sich durch ihre geschäftlichen Beziehungen. Sie eignete sich autodidaktisch das nötige Know-how an, lernte am Beispiel der Kollegen des Dortmunder Schmalfilmclubs, dem sie 1943 beitrat, und besaß vor allem ein begnadetes Talent. Ihre Aufnahme halten jedem professionellen Niveau stand. Dabei betrachtete sie sich selbst immer als Amateurin – als filmende Bäckersfrau. Als Tochter des Metzgermeisters und Wurstfabrikinhabers kam sie aus einem Handwerksbetrieb und führte als Ehefrau des Dortmund-Asselner Bäckermeisters Erich Wilms engagiert einen eigenen Geschäftshaushalt. Mit ihren Bäckerfilmen, aber auch mit Kindersonntag, Moselherbst und Münsterland – Heimatland dokumentierte sie ihre Liebe zum Handwerk, zur Familie und zur Heimat. Sie erhielt 1944 von der Filmprüfstelle in Berlin Ausgezeichnungen für diese Filme, da sie ins nationalsozialistische Konzept passten. Allerdings hatte sie ganz unbekümmert und ohne den Namen zu nennen den „Weihnachtsbäcker“ nicht mit ihrem im Krieg eingesetzten  Ehemann, sondern mit dem Kriegsgefangenen Pierre Lelong besetzt. Ihm verdankte sie die Rettung ihrer Movikon, die Pierre beim Einmarsch der Amerikaner unter den Fußbodendielen versteckt hatte.

Ihre bundesweit bekanntesten Filme zeigen das Nachkriegselend der Bevölkerung der Stadt Dortmund. Sie drehte sie für das Evangelische Hilfswerk, um im Ausland Spenden zu sammeln. Heute sind es eindrucksvolle historische Dokumente, die immer wieder in Dokumentationen über diese Zeit verwendet werden. Die folgenden Dortmund-Filme von Elisabeth Wilms waren Auftragsarbeiten der Stadtverwaltung, der Stadtwerke und der VEW. Sie drehte einen Wiederaufbaufilm, filmte den Bau der Westfalenhalle und die erste Bundesgartenschau in Dortmund. Im Auftrag Dortmunder Firmen entstanden Industriefilme über die Produktion der Westfalenhütte, die Wasserversorgung der Industriegroßstadt und über Kraftwerksbauten. Sie setzte Produkte der Wirtschaft wie Raupenbagger, umsetzbare Stahlhochstraßen, Stahlbrücken aus Dortmunder Fertigung ins Bild und filmte den Bau des 3. Abstiegs des Schiffshebewerks Henrichenburg in Waltrop und den Bau des Eiderstaudamms.

Der entzückendste Streifen ist der zehnminütige Werbefilm Flirt mit einer Maschine, in dem Wilms die Erleichterung der Hausfrauenarbeit durch den Kauf einer Constructa-Waschmachine zeigt.
Zu Elisabeth Wilms Naturell gehörte auch ein soziales Engagement, das sie filmisch zum Ausdruck brachte. Sie dokumentierte Einrichtungen der Evangelischen Kirche wie das Kinderheim Norderney, dessen Gründer Pastor Sigges die Idee hatte, Ruhrgebietskinder an die Nordsee zur Erholung zu schicken, oder dokumentierte den Neubau der Jugendbildungsstätte Haus Husen und die Arbeit der Max-Wittmann-Schule für Geistig Behinderte in Dortmund. Kirchlich verbunden waren Elisabeth und Erich Wilms mit der Asselner Gemeinde. Er war lange Jahre Pesbyter und Kirchmeister, sie sang im Kirchenchor. Ausflüge der Frauenhilfe, Gemeindefeste und -ereignisse sind in der Folge der Pastoren Fromm, Küper, Schmidt und Bahrenhof über 35 Jahre nachgezeichnet. Selbstverständlich hat Elisabeth Wilms auch alle möglichen familiären Feste wie Hochzeiten, Taufen, Geburtstage und Beerdigungen filmisch festgehalten, an denen Sozialgeschichte von 1941 bis 1980 abzulesen ist. Die Reisewelle der 50er Jahre hatte auch Elisabeth und Erich Wilms erfaßt. Mit dem eigenen Wohnwagen und der Kamera erkundeten sie die Mosel, das heimatliche Münsterland, das Sauerland: Sie waren Von der Etsch bis an den Belt unterwegs und hielten Schönheiten am Wege fest. Mitte der 50er Jahre bereisten sie das Sonnenland Italien Eine Traumreise von den Alpen über Bodensee und Schwarzwald führte bis zur Expo in Brüssel.

Elisabeth Wilms war vor allem eine Filmchronistin ihrer Stadt und ihrer Zeit. Sie war keine sozialkritische und schon gar keine politische Filmemacherin, wie sie im Zuge der Student/innen/bewegung auf den Plan treten würden. Auch hatte sie keinen frauenspezifischen oder gar feministischen Blick auf die gesellschaftliche Frauenrolle. Im Gegenteil füllte sie diese Rolle selbst sehr resolut und kreativ aus. Ihre Stärke beim Filmemachen lag in der Kameraführung. Das Schneiden des Materials erledigte sie im häuslichen Wohnzimmer am Wohnzimmertisch mit einem gewöhnlichen Umroller. Das Zimmer war ausgestattet mit einer langen Schrankwand, die Hunderte von Filmdosen enthielt. Vor dem Blumenfenster gab es eine in die Decke eingelassene Leinwand, die bei entsprechenden Gelegenheiten heruntergelassen, der Filmvorführung diente. Elisabeth Wilms hatte zwei Helfer im Hintergrund: ihren freundlichen und duldsamen Mann Erich und ihre Schwägerin und Haushälterin Grete. Erich wurde von Elisabeth als Stativträger und Chauffer angestellt, nachdem die Bäckerei 1964 verpachtet worden war.

Elisabeth Wilms erhielt am 22.9.1977 das Bundesverdienstkreuz und am 11.9.1979 die Ehrennadel der Stadt Dortmund. 1980 drehten die Regisseure Lentz und Klaus im Auftrag des WDR den Film „Brot und Filme“ über Arbeit und Leben von Frau Wilms.

Elisabeth Wilms starb am 25.8.1981.

Hanne Hieber / Dortmund

Orte:

Am Asselner Hellweg 129 befanden sich Bäckerei und Wohnhaus der Wilms, circa 200 m vom heutigen Elisabeth-Wilms-Weg entfernt.

Literatur:

Stark, Alexander, Die «filmende Bäckersfrau» Elisabeth Wilms. Amateurfilmpraktiken und Gebrauchsfilmkultur. Marburger Schriften zur Medienforschung [92], Marburg 2022.
Hieber, Hanne,„Euch, liebe Tante Lisbeth und lieber Onkel Erich zur Silberhochzeit alles Gute“. Ein Fotoalbum über die filmende Bäckersfrau Elisabeth Wilms, in: Heimat Dortmund 2/2003, S.37-39.
Hieber, Hanne, Wilms, Elisabeth, Die „filmende Bäckersfrau von Dortmund“, in: Biographien bedeutender Dortmunder. Menschen in, aus und für Dortmund, Band 3, Essen 2001, S. 214-217.
Springer, Ralf, Die filmende Bäckersfrau. Der Filmnachlass der Dokumentarfilmerin Elisabeth Wilms, in: LWL-Medienzentrum für Westfalen: Im Fokus 3/2009, S.18-19.
Winkelmann-Filmproduktion (Hg.), Die Filme der Elisabeth Wilms, bearbeitet von Ursula Grewsmühl und Hanne Hieber, Dortmund 1993.

Zitation: Hieber, Hanne, Elisabeth Wilms, Version 1.0, in: frauen/ruhr/geschichte, https://www.frauenruhrgeschichte.de/biografien/elisabeth-wilms/

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