Ausstellung: IKONA. Heilige Frauen in der orthodoxen Kunst

Debatten über die Stellung der Frau in der Gesellschaft werden seit Jahr­zehnten geführt, sie sind in den letzten Jahren im Zuge der Gender-Diskurse und der #MeToo-Bewegung aktueller denn je. Die Ausstellung IKONA legt als erste Ikonen-Ausstellung einen breiten Fokus auf die Dar­stellung heiliger Frauen in der christlich-orthodoxen Kunst. Sie ist die erste Zusammenarbeit zwischen den drei bedeutendsten Ikonen-Museen Westeuropas in Recklinghausen, Frankfurt am Main und Kampen (Niederlande). Über siebzig Exponate aus den Sammlungen der drei Museen und aus Privatbesitz illustrieren das breite Spektrum und die thematischen Spannungsfelder weiblicher Heiligkeit.

Zu Beginn der Ausstellung werden biblische Frau­en vorgestellt, die das christliche Frauenbild maß­geblich geprägt haben, insbesondere Eva und Maria: Evas Ungehorsam und „Schuld“ am Sün­denfall verurteilte Frauen zu einem Leben in De­mut und Buße, während Maria als Mutter Christi (und „Neue Eva“) entscheidenden Anteil an der Überwindung dieser Schuld hatte. Sie vereinte in sich Keuschheit, absoluten Gehorsam gegen­über Gott und das standhafte Erdulden von (seeli­schem) Schmerz und war das maßgebliche Vorbild für alle heiligen Frauen.

Der Hauptfokus liegt jedoch auf Märtyrerinnen, Asketinnen und Herrscherinnen. Dabei stehen vor allem Ikonen, die ungewöhnliche Handlungen und Ereignisse zeigen, im Mittelpunkt: So wird die heilige Thekla mit einem Evangelium wie­dergegeben, womit sie als Verkünderin von Gottes Wort identifiziert wird – für eine von kirchlichen Lehrämtern ausgeschlossene Frau eigentlich eine undenk­bare Darstellung (s. Pressefoto 7). Auch zu aktuellen De­batten finden sich Anknüpfungspunkte: Dabei hat die heilige Fomaïda sogar das Zeug zur „Ikone der #MeToo-Bewegung“: Sie wurde zur Märtyrerin, weil sie sich gegen die sexuellen Übergriffe ihres Schwiegervaters zur Wehr setzte, der sie schließ­lich ermordete (s. Pressefoto 8).

Viele heilige Frauen handeln erstaunlich selbst­bestimmt und selbstbewusst: Sie verweigern die Ehe, halten öffentliche Reden, fordern männliche Autoritäten heraus und erdulden – wie die heilige Marina von Antiochia – „mannhaft“ Einsamkeit, Folter und Tod (s. Pressefoto 6). Auf vielfache Weise über­schreiten sie die im sozialen Alltag geltenden Geschlechtergrenzen und unterlau­fen Erwartungen, die bis in die Neuzeit hinein an Frauen gestellt werden. Bis zu einem gewissen Grad gilt dasselbe für Herrscherinnen, wenn diese aus dem Schatten ihre Ehemänner oder Söhne heraustreten und selbst Macht ausüben. Die Ausstellung IKONA macht diese Spannungsfelder zum Thema und leistet damit einen Beitrag, die Wahrnehmung und die Darstellung von Frauen in der christlich-orthodoxen Kultur zu beleuchten, ihren Wurzeln nachzuspüren und weibliche Handlungsspielräume auszuloten.

bis 17. März 2024

In Kooperation des Ikonen-Museums Recklinghausen mit dem Ikonenmuseum Frankfurt am Main und dem Ikonenmuseum Kampen (NL).

Veranstaltungsort
Ikonen-Museum Recklinghausen
Kirchplatz 2a, D-45657 Recklinghausen
www.ikonen-museum.com

Zitation: , Ausstellung: IKONA. Heilige Frauen in der orthodoxen Kunst, Version 1.0, in: frauen/ruhr/geschichte, https://www.frauenruhrgeschichte.de/ikona-heilige-frauen-in-der-orthodoxen-kunst/

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